Von der alten Orgel in Hochkirch, die der Kirchgemeinde bis 1890 kirchenmusikalisch zur Seite stand, wissen wir nur wenig. Bisher konnte der Erbauer nicht ermittelt werden. Lediglich in den Gutachten aus der Mitte des 19. Jahrhunderts lassen sich einige Informationen darüber finden. Es muss ein Instrument mit 12 klingenden Registern gewesen sein, dass für die Größe der Kirche und den kräftigen Gesang der sorbischen Gemeinde nicht geeignet erschien.
Mit der Errichtung der neuen Eule-Orgel sollte die alten Orgel verkauft werden. Jedoch ist dies wohl nicht erfolgreich gewesen. Eventuell sind Orgelpfeifen veräußert worden. Einige der Holzpfeifen aus dem alten Instrument sind noch vorhanden. Auch von den Holzteilen des Prospektes sind noch einige zu finden. So finden sich solche Teile der alten Orgel im Inneren der heutigen Orgel und wurden als Wand des Durchgangs zum Bälgeraum verwendet.
Ebenso konnten vier Pfeifenstöcke aus Eichenholz auf dem alten Heuboden der Scheune des Pfarrhofes entdeckt werden, die der alten Orgel zuzurechnen sind.
Im Bälgeraum lagerten über die Zeit einige Verzierungselemente der alten Orgel. Von einer dicken Staubschicht bedeckt, waren bei diesen Holzelementen die weiße Farbgebung mit den goldenen Verzierungen noch zu erkennen.
Im Jahr 1890 erblickte sie das Licht der Welt – oder besser gesagt, erfüllte sie das Hochkircher Gotteshaus zum ersten Mal mit ihrem vollen Klang. Mit viel mehr, und vor allem klangstärkeren Stimmen als ihr Vorgängerinstrument, sollte diese Orgel den „ kräftigen Gesange der Wenden“ anleiten und tragen. So wünschten es sich die Hochkircher Gemeindeglieder ausdrücklich. Die beiden sonntäglichen Gottesdienste wurden regelmäßig von 700 bzw. 300 Menschen besucht. Und diese sangen aus vollem Herzen! So wünschten die Kirchvorsteher damals, dass zusätzlich zu den angebotenen 30 Registern noch 2 besonders kräftige Stimmen ergänzt werden sollten, obwohl diese sogar recht teuer waren!
Doch nun der Reihe nach: Hermann Eule, geboren am 4. Januar 1846 als Sohn eines Klavierbauers aus Löbau, erhielt seine erste Ausbildung bei dem Orgelbauer Leopold Kohl in Bautzen, und er lernte während seiner Gesellenjahre in Süddeutschland die dortige Orgellandschaft und –bauweise kennen. Leider blieb ihm aufgrund des deutschfranzösischen Krieges 1870/71 sein Wunsch verwehrt, bei dem berühmten französischen Orgelbauer Aristide Cavaillé-Coll seine Ausbildung fortzusetzen. Also kehrte er in die alte Heimat zurück und gründete als 26-jähriger in Bautzen seine eigene Werkstatt.
Die Hochkircher Orgel wurde im 18. Jahr des Bestehens seiner Firma als 48. Instrument erbaut. Er wählte das zu diesem Zeitpunkt modernste System der mechanischen Kegellade. Die Orgel erhielt 2 Manuale und Pedal sowie 32 Register, davon 2 Zungenstimmen.
Nur 27 Jahre später wurde brutal in das Instrument eingegriffen. Die großen Prospektpfeifen aus Zinn, die die Front der Orgel bildeten, mussten geopfert werden, um an grausamer Kriegsfront statt Erbauung für die Gläubigen, Leid zu verursachen. Nach 4 weiteren Jahren entschloss man sich, den Orgelprospekt wieder zu schließen, jedoch mit Pfeifen aus dem billigeren Ersatzmaterial Zink.
Unsere Orgel besteht jedoch nicht nur aus den sichtbaren 27 Orgelpfeifen im Prospekt. In ihrem Inneren birgt sie eine Fülle an verschiedenen Stimmen, ähnlich der Art eines Orchesters. So hat die Hochkircher Orgel insgesamt 1.959 Orgelpfeifen. Davon bekommen wir 1.932 Pfeifen nie zu sehen, aber wir können den unterschiedlichen Klangfarben lauschen.
Nicht genau nachvollziehen lässt sich, weshalb in den Jahren nach 1921 das beeindruckende Register Trompete 8 Fuss seinen Platz räumen musste und stattdessen die Stimme Salizional 8 Fuss eingesetzt wurde.
Weitere 9 Originalregister mussten im Jahr 1971 die Orgel verlassen. Man war damals der Meinung, mit solchen Umbauten allen Orgeln zu einem norddeutschen Barockklang zu verhelfen. Nur ist die Bauweise solcher Orgeln eine völlig andere und entstammt einer anderen Zeit, so dass die Register der verschiedenen Bauarten klanglich nie so recht zueinander finden konnten. Denn eine Orgel wird bei ihrer Entstehung immer als klangliches Gesamtkonzept geplant. Nicht alle Stimmen wurden 1971 durch andere ersetzt, 2 Register fehlten seit dieser Zeit. Außerdem wurden damals gebrauchte Teile aus der Orgel der Michaeliskirche Bautzen eingebaut, so z.B. die Manualklaviaturen, die Pedalklaviatur sowie das Register Subbass 16 Fuss.
Über 50 Jahre sind seitdem vergangen. Holzwurmschäden, Verschleiß, Verschmutzung und Trocknungsschäden haben unserer Orgel stark zugesetzt. Hinzu kamen die Schäden an Kirchendecke und Wänden.
Im Herbst 2021 wurde die Orgelbaufirma Ekkehart Groß aus Waditz damit beauftragt, die Orgel zu sanieren. Damit verbunden war auch die Rekonstruktion der verloren gegangenen Stimmen. So wurde die Trompete 8 Fuss neu gebaut und darf wieder an ihrem alten Platz stehen. Ebenso kehrten u.a. weitere Manualregister, wie Gamba 8 Fuss, Flöte d’amour 8 Fuss, Schweizer Gambe 4 Fuss und eine Mixtur für das Oberwerk in die Orgel zurück. Außerdem wurden die Pedalregister Violonbass 16 Fuss, Cellobass 8 Fuss sowie der Quintenbass 10 2/3 Fuss rekonstruiert. Letzterer wird in Kombination mit einem 16 Fuss Register zu einer akustischen 32 Fuss-Stimme, es entsteht damit ein ganz tiefer Klang.
Bei den Umbauten 1971 wurden glücklicherweise einige Orgelpfeifen der entfernten Stimmen wieder verwendet. Nur wurden diese an den verschiedensten Stellen mit verbaut. So ergab sich bei der Restaurierung die Aufgabe, ein großes Puzzle zu entschlüsseln, die Pfeifen dem richtigen Register zuzuordnen und nach deren Vorbild die fehlenden Orgelpfeifen zu rekonstruieren. Alles mit der Maßgabe, so viel historisches Material wie nur möglich zu erhalten. Fast detektivisch musste jeder Hinweis erforscht werden, von
Pfeifenformen bis zu verblichener Bleistiftschrift auf Holzdöckchen. Nichts durfte übersehen werden. Und nun verschmelzen im Inneren der Orgel historische mit neuen Materialien und bilden wieder die Klangeinheit, die der Erbauer ihr zugedacht hatte.
Und eine Besonderheit gibt es dazu: Der Raum hinter der Orgel, in dem sich die ursprüngliche Kastenbalganlage noch befand, wurde gereinigt, renoviert und die Windversorgung wiederhergestellt. Vielleicht kann sich noch jemand erinnern, dass früher beim Orgelspiel die Bälge getreten werden mussten? Es ist nun tatsächlich wieder möglich, die Orgel ohne Strom zu betreiben. Sollte sich sonntags jedoch niemand für diesen Kirchensport begeistern lassen, erledigen das die dafür angebrachten Motoren mit moderner elektronischer
Steuerung.
(Elke Groß - Kantorin)
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Vom Projekt der Sanierung und Teilrückführung der Eule-Orgel in Hochkirch wurde eine Schrift erstellt, die Sie als PDF-Dokument hier downloaden können.
"... Der Entschluss, die Orgel nicht nur halbherzig im vorgefundenen und eher unbefriedigenden Zustand zu überholen, sondern sie wieder in die durchdachte Ordnung und die Klangwelt Hermann Eules zu überführen, hat sich im Ergebnis als eine außerordentlich glückliche Fügung herausgestellt.
Das für die Arbeiten erforderliche hohe Maß an Sachkenntnis und handwerklicher Kompetenz wurde durch Firma Groß uneingeschränkt an den Tag gelegt. Dadurch war es möglich, zu diesem hervorragenden Ergebnis zu kommen. Unabdingbar dafür war auch, dass die erst im Verlauf der Restaurierung sich als zusätzlich notwendig herausgestellten Arbeitsschritte konsequent durchgeführt wurden.
Der Gemeinde ist zum Wiedererstehen diese klangschönen und gut handzuhabenden Instrumentes zu gratulieren und allen Mitarbeitern der Firma Groß für ihr Engagement zu danken!"