Hochkirch feiert. Ein buntes Festprogramm steht an diesem Wochenende an und zahlreiche fröhliche Gesichter begegnen uns. Einige Höhepunkte gab es in diesem Jahr schon, andere folgen noch. Hochkirch feiert. Gäste sind gekommen, Grüße aus aller Welt treffen ein, selbst aus Australien erreichen uns herzliche Segenswünsche1. Hochkirch feiert.
Der Anlass dagegen ist ganz trocken. Eine Verwaltungsurkunde, aufgeschrieben in mittelalterlichem Latein. Wer hätte geahnt, dass solch ein Papier einmal Menschen begeistert zum Feiern bringt?!
Was war geschehen? Sie wissen es. Unsere Oberlausitz war ein großes Waldgebiet durchsetzt mit feuchten Wiesen und Tümpeln (sorb. łuža → Lausitz). Nachdem die Bevölkerung aus der jüngeren Bronzezeit um 1000 vor Christus hier langsam verschwand oder wegzog, war es im Land der „Pfützen und Tümpel“ recht leer. Dann aber zogen die Milzener aus dem Osten in das Bautzener Land. Überall entstanden Siedlungen. Wohl auch an der alten Quelle in Hochkirch, deren Wasser heute noch das kühle Nass des Dorfteiches gibt. Vielleicht war es die Häufung von Buchen hier, die dem Dorf dem Namen gab: Bukecy.
Ein alter Handelsweg durchzog damals bereits unsere Gegend. Von Budißin kommend, folgte er Soritz, Meschwitz und Wuischke und führte dann über einen Weg zwischen dem Kuppritzer Berg und dem Hochstein in den Gau Zagost, dem späteren Eigenschen Kreis. Am Rande des Handelsweges fand man 1878 in Meschwitz fast ein Pfund Hacksilber – früher als internationales Zahlungsmittel verwendet - größtenteils aus arabischen, aber auch englischen und italienischen Münzen, die um das Jahr 1000 geprägt wurden. Reisende aus fernen Ländern kamen also auch hier vorüber. Nur der, der das Silber damals hier versteckte, kam nicht mehr dazu, es wieder abzuholen.
In unsere Gegend kamen bald neue Siedler, diesmal aus dem Westen. 990 waren die Milzener durch Markgraf Ekkehard von Meißen endgültig unterworfen. Als im 12. Jahrhundert das „ganze Land Budißin“, wie man es damals bezeichnete, unter böhmischen Einfluss kam, veränderte sich das Aussehen des alten Pfützenlandes. Die Bevölkerung wuchs, Städte wurden gegründet, das Straßensystem ausgebaut. So wurde 1221 Löbau gegründet und eine neue Handelsstraße führte nun durch Bukecy. Auch Kirchen wurden gebaut. Zunächst entstanden die Kirchen in Budißin, dann in Kittlitz und Göda. Dann ging es sehr schnell. Innerhalb weniger Jahre entstanden zahlreiche Kirchen im Land.
So auch hier in Hochkirch. Etwas abseits von der alten Siedlung Bukecy bauten Menschen an der Hohen Straße Häuser und errichteten an der höchsten Stelle eine kleine Kirche. Bischof Bruno II. von Meißen wollte hier aber keinen Wildwuchs entstehen, nicht die Rittergutsbesitzer nach persönlichem Gutdünken über die Besetzung der Pfarrstellen entscheiden lassen und setzte 1222 jene Urkunde auf, die uns den Grund zum Feiern gibt.
Bischof Bruno II. konnte damals nicht ahnen, dass seine Regelung später zu einer ganz besonderen ökumenischen Zusammenarbeit zwischen katholischer und evangelischer Kirche führte. Wegen der besonderen Rechtsstellung der Oberlausitz galt bis 1918, dass auch alle lutherischen Pfarrer in Hochkirch durch das katholische Domstift in Bautzen bestätigt werden mussten.
Aus der frühen Geschichte Hochkirchs wissen wir nicht viel. Landwirtschaft bestimmte das Leben hier. Nur wenige Deutschsprachige - Handwerker und Angestellte der Rittergüter - kamen hier her. Die Geschichte Hochkirchs ist viele Jahrhunderte eine sorbische. Während bereits im 13. Jahrhundert in vielen benachbarten Gegenden der öffentliche Gebrauch der sorbischen Sprache verboten und teilweise mit der Todesstrafe belegt wurde, sorgten Vertreter der Lausitzer Stände dafür, dass auch Geistliche ausgebildet wurden, die sorbisch predigen konnten. Das war auch eine der Gründe, das die Reformation in die Lausitz gelangte, wo trotz Zugehörigkeit zum katholischen Böhmen, in den 1550er Jahren etwa ¾ der Sorben evangelisch waren.
Und Hochkirch entwickelte sich. Dass aber Hochkirch – wie es heute ist – Verwaltungssitz für 18 Dörfer bildet, war jedoch lange Zeit nicht abzusehen. In den Kirchort selbst hatte es keinen Gutsherren gezogen und so stand Hochkirch unter dem Einfluss von bis zu fünf Herrschaften: Kuppritz, Rodewitz, Pommritz, dem Domstift und später auch dem Kreisamt Budißin. So blieb der Ort Hochkirch lange Zeit im Schatten seiner herrschaftlichen Nachbardörfer. Und doch machte sich Hochkirch einen guten Namen, da hier einige Geistliche wirkten, die über ihre Tätigkeit als Seelsorger hinaus zu den ersten gehörten, die Bücher in sorbischer Sprache herausgaben (Gregor Martini, Johann Wauer, Johann Friedrich Lange), die an der Bibelübersetzung in die Sprache der Menschen hier mitwirkten (Johann Wauer) oder auch politisch mit Petitionen oder als Kandidaten für den Landtag in Erscheinung traten (Michael Möhn). Aber auch der Oberförster Karl Friedrich Walde, der am Czorneboh die Waldungen planmäßig ordnete, Oberlehrer Karl Traugott Schütze, der als ehrenamtlicher Entomologe (Schmetterlingsforscher) bis heute besonders im fernen Japan bekannt und geachtet ist oder Prof. Georg Derlitzki, der als Leiter des Landwirtschaftlichen Versuchsgutes ebenfalls internationale Anerkennung fand, - alle sie reihen sich in die Namen derer, die über die Grenzen des Hochkircher Landes hinaus bedeutend wurden.
Ein Ereignis lässt sich jedoch nicht mehr von Hochkirch trennen. Und dieses bedeutete fast seinen Untergang. In den Oktobertagen des Jahres 1758 sammelten sich hier etwa 100.000 Soldaten – Preußen und Österreich führten gegeneinander Krieg um Schlesien. Riesige Heerlager waren errichtet. Am Morgen des 14. Oktober tobte dann das große Schlachten. Jede Sekunde der 5-stündigen Schlacht starb ein Mensch. Die Jahresernte der Menschen hier verbrannte mit ihren Häusern. Hunger und Krankheit raffte in den nachfolgenden Monaten viele Bewohner dahin.
Heute noch besuchen zahlreiche Gäste unseren Ort, um die Schlachtfelder des Siebenjährigen Krieges zu sehen oder die Unterschrift von Kaiser Wilhelm II. unter dem Bild „Friedrich und die Seinen in der Schlacht bei Hochkirch“ zu betrachten.
Nach der Katastrophe von 1758 konnte sich Hochkirch langsam wieder erholen und litt 55 Jahre später erneut unter ungezählten Soldaten als Napoleon hier durchzog. Es wurde wieder geplündert und Höfe brannten nieder. In Meschwitz soll, wie der Bautzner Lehrer Erich Klausnitzer dann beschrieb, einem französischen Offizier der Schimmel unter dem Sattel erschossen worden sein. Der Militär ließ die Männer des Dorfes antreten und alle ahnten das Schlimmste. Als der Dorfälteste die Strafe auf sich nehmen wollte, kam es dann aber dazu, dass der Offizier bestimmte, bei einem Ersatz des Tieres das Dorf zu verschonen. In Wurschen schließlich fand man einen Schimmel, den man zum Preis des Busches am Berg erhielt und diesen dann auch den Schimmelbusch nannte.
Wenngleich die Menschen nach solchen Jahren hier auf ruhigere Zeiten hofften, erfüllte sich dieser Wunsch nicht. Mit der Teilung der Lausitz nach dem Wiener Kongress 1815 war die preußische Grenze auf 8 km herangerückt. Manche staatlichen Veränderungen in Preußen und Sachsen, aber auch wirtschaftliche Schwierigkeiten erfüllten die Hochkircher mit Sorge. In der Mitte des 19. Jahrhunderts kam es dann zu einer regelrechten Auswanderungswelle. Hunderte gaben hier alles auf, um besonders in Australien oder Texas eine neue Zukunft aufzubauen. Die größte Gruppe der Exulanten führte der aus der Hochkircher Gemeinde stammende Jan Kilian nach Texas an. Andere Familien zogen nach Australien. Hier gründeten 1853 die Familien Albert aus Rachlau, Mirtschin aus Steindörfel, Deutscher aus Zschorna und Rentsch aus Kuppritz einen Ort, den sie zunächst Bukecy nannten, später dann Hochkirch. – Bis heute ist der Kontakt dahin nicht abgerissen.
Für unser Hochkirch hier brachten die letzten 150 Jahre die größten Veränderungen mit sich. Mit dem Bau der Eisenbahnlinie und der Industrialisierung im Land begann der Ort zu wachsen. Sorbische Vereine belebten das kulturelle Leben. Dann aber kam alles anders. Das Erstarken der Nationalsozialisten war auch in Hochkirch zu spüren. Für die hiesige SA wurde ein Garten an der Fernverkehrsstraße für einen Aufmarschplatz geschliffen. Hochkirchs eigene Kulturgeschichte wurde durch Verbote, Zwangsversetzung von Lehrern und dem Pfarrer, oder auch durch Büchervernichtung bekämpft. Bis heute kann man die Nachwehen dieser Zeit auch hier spüren. Die Entwicklungen nach dem 2. Weltkrieg sind vielen von uns in eigener Erinnerung präsent.
So flog die Zeit über die Geschichte unseres Ortes. Generationen lebten, feierten, glaubten, hofften, stritten oder trauerten hier. Unverwechselbar ist Hochkirch durch seine Geschichte, einmalig die Menschen, die heute hier miteinander feiern, offen die kommende Zeit.
Eines können wir durch den Blick in die Vergangenheit für unsere Zukunft begreifen. Immer, wenn sich die Hochkircher ihrer eigenen reichen Geschichte und Kultur bewusst waren, konnten sie gestärkt Pläne verwirklichen.
Swjećimy wosomstow lět Bukecy. W tutych wjele lětach běchu ludźo tu swoju wěru a swoju nadźiju žiwi, běchu swěrni a spušćomni. Wědźachu wo mocy swojich serbskich wótcow. Na tutym zakładźe twarjachu swoju domiznu. Njech Bóh tež w přichodźe tute wědomje zdźerži.
Liebe Gäste,
Hochkirch hat schwere Zeiten gemeistert, von Hochkirch aus wurden wichtige Impulse gesetzt, Hochkirch war schon 800 Jahre unter Gottes gutem Geleit vielen Einwohnern Heimat geworden. Mögen wir mit Gottes Hilfe dafür sorgen, dass zahlreiche weitere Generationen in unserem Hochkirch / unserem Bukecy friedlich und von Hoffnung erfüllt leben können.
(Pfr. Th. Haenchen)